Laut Freud ist ein Witz die „Auflösung einer gespannten Erwartung in nichts“. Dieser Definition entspricht auch dieses Buch, allerdings nicht im positiven Sinn. Ich gebe es zu: Ich habe nur das erste Drittel gelesen, ab der dritten Geschichte war es eine Qual. Die Erzählstimme nervt in ihrer erkennbaren Redigierung und Sprachglättung der Geschichten. Das fällt vor allem bei den Geschichten aus Jungsperspektive auf. Die Geschichten sind fad, unspektakulär und irrelevant. Jedenfalls wirken sie so durch die Sprache, die eben nicht die der Originalstimmen ist.
Die einzelnen Texte mäandern vor sich hin, sind oberflächlich, lassen jedes Einfühlungsvermögen in andere Protagonisten vermissen, wirken jeweils völlig ich-bezogen und sind mit ihrer teilweisen Über-Reflexiertheit (die oft zu bizarren Selbstzweifeln ausformuliert werden) einfach laaaangwelig. Statt Atmosphäre zu evozieren, werden detailliert-belanglose Beschreibungen von Oberflächlichkeiten oder behaupteten Gefühlen aneinandergereiht. Das lässt einen kalt, da kann auch die eine oder andere gelungene Formulierung nichts mehr retten.
Eine Geschichte liest sich wie die andere, obwohl die Pseudo-Ich-Erzähler aus verschiedenen sozialen Schichten und Regionen kommen sollen, unterschiedlich alt sind, verschiedene Interessen haben. Und viel zu oft ist es für den Leser einfach uninteressant, wie süß/hübsch/attraktiv der Gegenüber ist. Ist es keinem der Protagonisten passiert, dass sie ein Lächeln, eine Geste, eine Bemerkung erst für den anderen interessierte? Wenn ja warum formuliert der Text das nicht? Warum gibt es nur Hetero-Geschichten oder die Entscheidung einer Frau zwischen zwei Männern? (Dem Buch und seinen stimmenlosen Protagonisten Homophobie zu unterstellen, wäre vielleicht etwas stark formuliert, aber es ließe sich in diesem Sinne argumentieren). Die studentische Herkunft der Protagonisten merkt man den meisten nicht an und ist auch nicht selten eher irrelevant oder allenfalls schmückende Hintergrundinfo.
Selbst der langweiligste Sex macht mehr Spaß als dieses Buch.
Oder andersherum gefragt: Was wollte uns die Autorin mit diesem Buch sagen? Ich weiß es nicht. Für eine pornografische Lektüre ist es viel zu zahm, für eine erotische Lesart fehlt die Erotik, für eine sachliche Bestandsaufnahme ist es zu belanglos. Lediglich So vielfältig sind Liebes/Sexabenteuer könnte als Anspruch gelten, aber da sind viele Internetblogs besser geschrieben und interessanter. Vielleicht habe ich auch nur ein Y-Chromosom zu viel oder bin mit 30 zu alt für solche Bücher Dann lieber die guten alten Dr.-Sommer-Geschichten, die waren kurzweilig und auf den Punkt formuliert.
Diesen Text hab ich auch als Amazon-Rezension eingestellt: Unisex – 33 Geschichten über lange Partynächte, folgenschwere Flurbegegnungen und herzzerreißende CampusdramenNachtrag (19.6.2011)
Wenn man sich die anderen Rezensionen bei Amazon anschaut, könnte man irritiert sein. Offenbar wird Kira Licht als Autorin von Kurzgeschichten angesehen und die „33 Geschichten über lange Partynächte, folgenschwere Flurbegegnungen und herzzerreißende Campusdramen“ als Fiktion. Jedoch gibt das Buch vor, reale Begebenheiten von realen Personen zu schildern. Durch die jeweilige Ich-Erzählerin bzw. den jeweiligen Ich-Erzähler der einzelnen Begebenheiten wird der dokumentarische Anspruch unterstrichen.
Nicht die „Autorin“ Kira Licht berichtet, was anderen widerfahren ist, sondern sie sammelt (angeblich) Berichte, wie diese selbst davon erzählen. Aber offenbar bin ich der einzige, den diese Diskrepanz wirklich stört. Denn der Rest der Welt scheint mit solchen Pseudo-Geschichten sehr zufrieden zu sein.