Microsofts Reichtum

Diese Überlegung ist mir einen eigenen Eintrag wert. Apple schafft es leicht in die Schlagzeilen, weil ihre Produkte einfach zu verstehen sind: Kauf einen Computer – fertig. Kauf einen iPod – fertig. Dagegen wissen die wenigsten, wieso genau Microsoft so reich ist.

Welcher normale Kunde weiß schon, wieso Microsoft so reich ist? Die wenigsten haben bislang direkt ein Microsoft-Produkt gekauft. Die Produkte dieser Firma sind ihnen als Kaufgüter fremd. Sie benutzen sie nur, weil sie auf einem Produkt, das sie kaufen (ein Computer) eben dabei sind. Oder weil sie auf einem Gerät, das ihnen der Chef vor die Nase setzt, drauf sind. Es ist nie ihre bewusste Entscheidung (!) gewesen, ein bestimmtes Produkt aus dem Hause Microsoft zu kaufen. Im Gegensatz zu einem Apple-Gerät (ob Mac, iPod, iPhone oder iPad), die man bewusst in Abgrenzung zu anderen Angeboten auf dem Markt auswählt.

Von der emotionalen Bindung her, sind Microsoft-Produkte (v.a. Windows) in etwa wie ein Brot, das man zum Toasterkauf dazu erhält. Eigentlich ist es egal und spielt für die Kaufentscheidung keine Rolle, aber man nimmt es mit. Zumal man es auch nicht im Laden liegenlassen kann, denn erstens würde es sonst schlecht, und zweitens ist der Verkäufer verpflichtet (unter Androhung von Strafen), jedem Toaster-Kunden ein Brot mitzugeben.

Dadurch ist für die meisten Menschen Microsoft nebulös. Sooo schlecht können die doch nicht sein, wenn jeder ihre Produkte benutzt. Sooo böse können die doch nicht sein, wenn ich ihr Produkt vermeintlich kostenlos bei einem anderen Produkt dazuerhalte. Achtung: Erste Lektion im Kapitalismus: Nichts ist umsonst. Indirekt bezahlt natürlich jeder Kunde für ein Microsoft-Produkt, nur bekommt er oder sie es nicht mit.

Dadurch ist die klare Unterscheidung der Hard- und Software-Anbieter aufgehoben. Wie sich Hard- und Softwarehersteller unterscheiden, wie sie kalkulieren müssen, wie ihre Kundenbeziehungen aussehen – all das ist dem normalen Kunden egal. Da Microsoft es geschafft hat, unter Umgehung aller Kunden-Entscheidungen eine Marktdurchdringung von über 90 Prozent zu erreichen, haben es Linux und Apple schwer. Denn diese (v.a. Linux) fordern Entscheidungen, die für die Kunden bislang nicht bestanden.

Nachtrag (1. Dezember 2010)

Wie Telepolis berichtet, sind Menschen leichter zu einem amoralischen Tun bereit, wenn ihnen dies untergeschoben wird. Ist also der „Default“-Wert auf dem moralisch falschen Verhalten eingestellt, wird es leichter hingenommen.

Man stelle sich folgende Meldung auf dem Bildschirm vor: „Wenn Sie diese Meldung nicht binnen 20 Sekunden wegklicken, werden bei einer zufällig ausgewählten Person 100 Euro abgebucht und Ihrem Konto gutgeschrieben. Völlig grundlos. 20. 19. 18. …“ Dazu der Button „Nein, danke“. Das gleiche Szenario als Entscheidung: „Wollen Sie, dass einer zufällig ausgewählten Person 100 Euro abgebucht und Ihrem Konto gutgeschrieben werden? Völlig grundlos.“ Dazu zwei Buttons „Ja, ich will“ und „Nein, danke“. Im zweiten Szenario ist es eine Entscheidung, was die Menge der Überweisungen laut der von Telepolis zitierten Studie deutlich reduziert.

Von dem gleichen Effekt profitiert Apple, indem es eben eine Entscheidung für seine Produkte erfordert, während Microsoft-Software „nur“ den Default-Wert darstellt.

Alexander Florin: Alexander Florinein Kind der 70er • studierter Anglist/Amerikanist und Mediävist (M.A.) • wohnhaft in Berlin • Betreiber dieses Blogs zanjero.de • mehr über Alexanders Schaffen: www.axin.de ||  bei Facebook || auf Twitter folgen

3 Kommentare

  1. Schön erkannt, wie schon in Matrix so schön gesagt: „Das Problem ist die Entscheidung.“ Ist diese getroffen, ist doch eigentlich alles ganz einfach. Nur schade, wenn man keine hat, weil der Brotfabrikant Druck auf die Toasterhersteller ausübt. Lang lebe die Freiheit! Tierra y Libertad! Freiheit bei der Entscheidung für Hard und Software! So soll es sein.

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