Warten auf Flash

Ein Jahr nach dem Erscheinen des iPad und mehr als drei Jahre nach dem Erscheinen des ersten iPhones und fast drei Jahre nach der ersten Android-Version gibt es immer noch kein funktionierendes Flash für Mobilgeräte.

Gerade gelesen: „while Android’s delayed, experimental support for Flash is still not able to deliver reasonable performance even for web videos, let alone the majority of Flash content that was originally designed to work on full power Windows PCs equipped with a mouse.“ Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Laut Adobe ist Flash ein wichtiger Bestandteil des Internet (was eine frangwürdige Behauptung ist) und gehört deshalb unbedingt auf Mobilgeräte.

Viel mehr erfährt man auf Motorolas Website offenbar nicht. Dafür wollen die rund 800 Euro haben …

Jetzt gibt es ein Mobilgerät namens Xoom, das es leistungstechnisch gut mit einem Office-PC von vor fünf Jahren aufnehmen könnte. Es gibt ein Betriebssystem namens Android, das angeblich gaaanz offen ist, wo sich niemand einer konzeptionellen Logik oder Strategie beugen müsste. Es gab mehr als genug Zeit – eigentlich sollten drei Jahre genügend lang sein, um so wichtige Dinge wie einen Flash-Player auch für eine neue Geräte-Kategorie umzusetzen.

Der Firefox-Browser schaffte in der Zeit den Sprung von Version von Version 2 auf Version 4 – als Open-Source-Projekt, also ohne große Softwarefirma im Hintergrund, die Controller, Marketing-Experten, Strategen und andere wichtige Menschen beschäftigt. Microsoft hat in der Zwischenzeit Vista und Windows XP mit Service-Packs beglückt und ein angeblich komplett supertolles Windows Sieben (eigentlich 6.1) rausgebracht. Nebenbei fanden die Microsofter noch Zeit für Office 2008 (Mac), Office 2010 (Windows) und Office 2011 (Mac). Außerdem gabs noch Silverlight als Flash-Alternative aus dem Hause Microsoft.

Seit dem ersten iPhone wurde der HTML-5-Standard massiv weiterentwickelt, hat sich weiter verbreitet und kann für immer mehr Anwendungsfälle eingesetzt werden. Wenn Adobe sich nicht langsam beeilt, fällt bald niemandem mehr auf, dass Flash weg ist.

Wieso ist es für den zweitgrößten Softwarehersteller der Welt so schwer, innerhalb von drei Jahren einen Flash-Player für Mobilgeräte zu schreiben? Motiviert sind sie doch, das behaupten sie jedenfalls ständig. Denn ohne Flash geht das Internet zugrunde, behauptet Adobe. Oder behaupten sie das nur, weil sie irgendwie rechtfertigen müssen, dass sie 2005 für 3,4 Milliarden Euro das Unternehmen Macromedia hauptsächlich wegen Flash gekauft hatten? Vielleicht wissen sie ja längst, dass Flash keine Zukunft hat und begraben lieber still und leise ihre Flash-Begeisterung als dass sie irgendeinen Programmierer zu Grabe tragen, der den Versuch, diesen Software-Schwachsinn für eine weitere Plattform zu portieren, nicht überlebte?

Vielleicht hatte Steve Jobs ja auch Recht, als er das Ende von Flash verkündete. Denn so vernünftig ist Jobs: Wenn es jemanden gibt, der die Arbeit für dich tut, dann lass sie ihn tun. Deshalb entwickelt Apple kein Java mehr selbst, sondern überlässt das Oracle. Warum hätte Jobs sich den Ärger der ganzen Menschheit und den Zorn von Adobe zuziehen sollen? Nur aus einer Laune heraus? Nein, weil er Adobe um einen Flash-Player für die iOS-Plattform bat. Weil Adobe keinen liefern konnte (obwohl sie das bis heute leugnen). Weil Adobe offenbar Flash ausschließlich für Windows und mit etwas gutem Willen auch leidlich für Mac entwickeln kann.

Welche Optionen hat ein Firmenchef, der von dem Produkt eines anderen abhängig ist, und der andere liefert einfach nicht? Was tut man? Was würde jeder vernünftige Mensch tun?

  • Den Bedarf genau abschätzen
  • Alternativen prüfen
  • Verbündete für Alternativen suchen
  • Entweder still und leise austauschen oder Tausch offensiv bekanntgeben.

Im Gegensatz zu einem Autohersteller, der den Schraubenlieferanten still und leise wechseln kann, war der Verzicht auf Flash nicht so einfach möglich. Denn – das war Jobs auch klar – vielen Nutzern würde das Fehlen auffallen, und für Alternativen bräuchte man etwas Zeit. Also musste Apple in die Offensive gehen, wie ein Autohersteller, der in seinen Fahrzeugen den Motorlieferanten wechselt. Da Adobe immer noch nicht liefern konnte und in absehbarer Zeit nicht würde liefern können, brauchte es eine Alternative.

Genauso wie einst Motorola keine anständigen Computerprozessoren als Nachfolge des G4 anbieten konnte und der G5 von IBM einfach nicht in einen Laptop passen wollte – was tat Jobs? Er sah sich nach Alternativen um. (Ich schreibe zwar Jobs, aber das wird wohl eine gemeinschaftliche Anstrengung der Apple-Chefs und Vize-Chefs gewesen sein). Welche Alternativen gab es? Welche bietet die besten Chancen, jetzt und künftig den eigenen Anforderungen gerecht zu werden? Welche lässt einen weder wegen Lieferengpässen noch wegen Entwicklungsstaus im Regen stehen? Im Fall der Prozessoren fiel die Wahl auf Intel.

Die Alternative zu einem Flash-Player besteht in …? Ja, worin eigentlich? Also muss man schauen, welche Aufgaben Flash übernimmt. Und genau diese Aufgaben kann zum Großteil HTML 5 übernehmen (sicher nicht alle, aber die wichtigsten). Ein Video-Abspielformat und andere Standards flankieren den Abschied von Flash. Als wichtiger Nebeneffekt gehört zu den Flash-Alternativen die Unabhängigkeit von Einzelunternehmen. Die Standards gehören allen bzw. können von allen gleichermaßen genutzt werden. Damit nie wieder eine Situation eintritt, in der eine Firma bei einer anderen betteln muss und dann ständig beschimpft wird, wenn die andere Firma nicht in der Lage ist, etwas zu liefern.

Während alle (!) modernen Browser (sogar der Internet Explorer) ihre Standardkonformität deutlich verbessert und die HTML-5-Unterstützung massiv ausgebaut haben, ist Adobe in Sachen Flash noch auf dem Stand von 2007. Es gab ein paar Weiterentwicklungen für Computer Beispielsweise endlich eine Hardware-Unterstützung, aber die Abhängigkeit eines Plug-ins von der Hardware ergibt wieder völlig neue Probleme, denn schließlich soll ja Flash ebenso wie Java von der Hardware abstrahieren und die Leistungsfähigkeit nicht direkt von einer bestimmten Komponente abhängig sein. Das wäre schon fatal, wenn Flash-Videos mit einer AMD-Grafikkarte deutlich besser laufen als mit einer gleichwertigen Nvidia-Grafikkarte (unwahrscheinlich aber möglich)., aber es gibt immer noch keine ernstzunehmende Version für Mobilgeräte. Nicht mal für das Xoom.

Wenn mir das jetzt mal jemand erklären könnte, brauche ich künftig keine Texte mit dem Schlagwort „Flash“ mehr zu schreiben. Fänd ich toll. Ich schreibe solche Texte ja nicht als Adobe-Hasser oder Flash-Verächter, sondern aus der Warte heraus, dass ich verstehen möchte, warum Adobe sich so aufregt, wenn Apple ihre Hausaufgaben macht und an vorderster Front HTML 5 voranbringt.

Alexander Florin: Alexander Florinein Kind der 70er • studierter Anglist/Amerikanist und Mediävist (M.A.) • wohnhaft in Berlin • Betreiber dieses Blogs zanjero.de • mehr über Alexanders Schaffen: www.axin.de ||  bei Facebook || auf Twitter folgen

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